Ist ein Beschluss ohne Traktandierung gültig?

StWE Die Mehrheit der Versammlung beschliesst spontan die Pflanzung des Affenschwanzbaumes. Hat dieser Beschluss trotz fehlender Traktandierung und Abwesenheit eines Stimmmberechtigten Gültigkeit?

Solche Fragen werden in der Rechtsberatung der HEV Immo AG und des HEV Luzern immer wieder gestellt. Wichtig zu wissen ist: Verhandlungsgegenstände, über die ein Beschluss gefällt werden soll, sind ordentlich zu traktandieren und den Eigentümern mit der Einladung zur Versammlung mitzuteilen. Eine fehlende oder ungenügende Traktandierung führt zur Mangelhaftigkeit des Beschlusses. Die Beschlussfassung über nicht traktandierte Gegenstände ist nur zulässig, soweit dies das Reglement ausdrücklich vorsieht. Es darf deshalb nur über Themen abgestimmt werden, die ordentlich angekündigt sind. Alle Verhandlungsgegenstände, über die zu beschliessen ist, sind eindeutig zu formulieren und einzeln aufzuführen, so dass für alle ersichtlich ist, worüber an der Versammlung alles abgestimmt wird. Die Eigentümer müssen sich ein Bild vom Ausmass der Geschäfte machen und sich entsprechend auch vorbereiten können. Je nach Geschäft kann es notwendig sein, die Traktanden mit ergänzenden Unterlagen zu dokumentieren. Dies sind die Grundlagen zum Entscheid, ob man an der Versammlung teilnehmen möchte. Falls eine Vertretung delegiert wird, soll es den Eigentümern so auch möglich sein, ihre Vertretung entsprechend zu instruieren.

Selbstverständlich ist es immer möglich, anlässlich der Versammlung auch über nicht traktandierte Themen und Geschäfte zu diskutieren. Dadurch sollen die Eigentümer Gelegenheit erhalten, sich zu weiteren aktuellen Fragen zu äussern und darüber zu debattieren. Wird dazu aber ein Beschluss gefasst, ist dies ein klarer Verstoss gegen das Traktandierungsgebot. Der Beschluss ist damit aber in der Regel nicht automatisch ungültig. Ein Eigentümer, der die Traktandierung eines Geschäftes für unzureichend hält, kann den aus seiner Sicht bestehenden Mangel umgehend rügen. Er kann den Beschluss innerhalb eines Monats seit Kenntnisnahme beim Friedensrichter anfechten. Zur Anfechtung berechtigt ist aber nur, wer dem Beschluss nicht zugestimmt hat. Wird der Beschluss über die spontane Bepflanzung eines Affenschwanzbaumes hingegen nicht rechtzeitig angefochten, ist er wirksam, auch wenn er grundsätzlich mangelhaft ist.

An der Versammlung können Beschlüsse über nicht ordentlich traktandierte Geschäfte nur dann ohne Anfechtungsrisiko gefasst werden, wenn sämtliche Eigentümer anwesend und mit der spontanen Beschlussfassung einverstanden sind. Eine Ausnahme vom Gebot der gehörigen Ankündigung besteht demzufolge nur im Rahmen einer sogenannten Universalversammlung. Da in solchen Fällen keine abwesenden Eigentümer durch die fehlende Ankündigung vom Stimmrecht über das behandelte Geschäft ausgeschlossen sind, kann die Universalversammlung auch gültig über nicht angekündigte Geschäfte beschliessen. Wer nicht möchte, dass die Universalversammlung beschliesst, kann dies durch Verlassen des Versammlungssaals verhindern.

01. Februar 2022, lic.iur. Stefan Baer